Trotz starkem Start: Erst dann zieht auch Streich den Hut
Im Pokal die schwierige Erstrundenhürde Kaiserslautern gemeistert, Zweiter in der Bundesliga und eine perfekte Ausbeute in der Europa League – viel besser hätte der SC Freiburg nicht starten können. Trainer Christian Streich tritt bei aller Freude dennoch als Mahner auf und sagt, wann auch er den Hut zieht.
Drückt auf die Euphoriebremse: Christian Streich. IMAGO/Beautiful Sports
Eine stattliche Anzahl an bunten Raketen, die aus der Fankurve emporstiegen, Böllerdetonationen und Bengalofackeln über zwei Tribünenseiten. Das enorme Arsenal von Pyrotechnik der Olympiakos-Fans wurde am Donnerstagabend beim 3:0 glücklicherweise allem Anschein nach recht kontrolliert abgefeuert und nicht auf die Tribünen gerichtet. Nur eine zu weit auf das Feld geflogene Rakete machte eine kurze Spielunterbrechung nötig.
Alles in allem war das kombiniert mit beeindruckend lauten Anfeuerungsrufen eine außergewöhnliche Kulisse und absolutes Neuland für den SC Freiburg. Beeindrucken ließen sich die Protagonisten um Streich davon jedoch nicht. Er habe null Bedenken gehabt, dass das sein Team beeinflussen könnte, meinte der 57-Jährige: “Es sind gestandene Kerle, die schon viele Spiele hinter sich haben. Die haben schon vor 80.000 Leuten gekickt, viele von denen haben schon viele Phasen durchlebt.”
Es sei eben wie am Jahresende gewesen, findet Streich: “Silvester stehen wir ja auch auf der Straße und hören zu, wenn es knallt. Wir waren ja nicht auf der Flucht, sondern wollten hier kicken und einen sportlichen Wettkampf bestreiten, das haben wir gemacht.” In beeindruckender Manier.
“In den Tunnel gehen und alles andere ausblenden”
Die SC-Profis waren vom Anpfiff weg präsent, griffig im Zweikampf und erarbeiteten sich mit strukturiertem Kombinationsspiel schon in der ersten Minute eine gute Torchance durch Daniel-Kofi Kyereh und gingen vier Minuten später mit einer cleveren Freistoßvariante in Führung. Rechtsfüßer Vincenzo Grifo flankte plötzlich, als sich Linksfüßer Christian Günter vermeintlich noch den Ball zurechtlegte, auf den am kurzen Pfosten perfekt ins lange Eck einköpfenden Nicolas Höfler. Acht folgende Torchancen wurden für zwei weitere Tore genutzt und nur eine Gelegenheit des Gegners zugelassen.
“Es ging nur um eins: In den Tunnel gehen, alles drumherum ausblenden und die Dinge, die wir üben Training und besprechen, umsetzen”, beschrieb Streich den simpel klingenden Plan, um detaillierter anzufügen: “Es geht um Disziplin und die Bereitschaft, in vorderster Linie alles schlau zuzulaufen, und Räume zuzuschieben, damit der Druck nicht zu groß wird. Das haben wir geschafft. Olympiakos hatte Probleme, einen konstruktiven Spielaufbau hinzubekommen, das ist die Basis. Immer dann, wenn wir im optimalen Positionsspiel waren, sind wir auch durchgekommen hinter die Kette von Olympiakos.”
Wir waren besser, aber Olympiakos war nicht wie sonst.
Christian Streich
Am Ende stand ein souveräner und dominanter Auftritt im stimmungsvollen Wohnzimmer des griechischen Rekordmeisters, den man so nicht erwarten konnte. Streich brachte zwar seine Freude darüber zum Ausdruck, legte aber Wert darauf, das Ergebnis zu relativieren. “Wir freuen uns sehr. Ich freue mich wahnsinnig, dass ich jetzt mal in diesem Stadion sein durfte, das ich immer im Fernsehen gesehen habe. Manchmal hast du die Hälfte vom Spiel nicht gesehen, weil Rauch war, aber es war beeindruckend. Jetzt durften wir selber hier kicken und haben das gut gemacht. Aber mehr ist es dann auch nicht.”
12. September 202201:45:50 Stunden
KMD #139 – Maximilian Eggestein
Es geht bei KMD ja meistens hoch her, aber in dieser Woche ist die Nummer ein wenig eskaliert! Zu Beginn schaut Maximilian Eggestein im Podcast vorbei, der mit Freiburg gerade (mal wieder) die Bundesliga aufmischt und über den Sportclub, das Geheimnis der SC-Standards und seine Zeit in Bremen plaudert. Danach besprechen Benni und Alex ausführlich den restlichen Bundesliga-Spieltag und diskutieren sich auf Statistik-Grundlage die Köpfe heiß über die Attraktivität der Bundesliga (“Lange-Hafer-Liga”). Und als Sahnehäubchen geht es mit kicker-Reporter und Wolfsburg-Insider Thomas Hiete natürlich auch noch ausführlich um die Causa Max Kruse…
In die Gesamtbeurteilung muss selbstredend auch der Auftritt des Gegners einfließen und der war in weiten Phasen blutleer, von wenig Konsequenz, Entschlossenheit und Zusammenhalt geprägt. “Wir waren besser, aber Olympiakos war nicht wie sonst. Sie hatten zuletzt keine guten Ergebnisse, wir wussten, dass deren Spieler unter Druck stehen, die Erwartungshaltung bei einem solchen Verein ist groß. Jetzt wurden vier Spieler verpflichtet am letzten Tag. Die Mannschaft wird völlig anders aussehen im Rückspiel. Das ist eine ganz andere Struktur als in Freiburg”, sagte Streich.
Mit dieser Struktur hat sich der SC schon jetzt eine glänzende Grundlage für ein Überwintern in der Europa League erarbeitet, führt mit drei Punkten Vorsprung die Gruppe G an und liegt in der Bundesliga auf Platz zwei. Viel besser kann man nicht starten, Streich gibt dennoch, wie so oft, den Mahner: “Die Mannschaft leistet Außergewöhnliches, aber wir müssen aufpassen, dass die Erwartungen nicht in den Himmel schießen. Weil dann heißt es plötzlich nach durchschnittlichen Spielen: Was kicken denn die?”
Gestiegene Erwartungshaltung – Warnung vor Hoffenheim
Diese Einschätzung entstand beim SC-Coach nach dem 0:0 gegen Gladbach am Sonntag: “Da habe ich ein gutes Spiel gegen starke Gladbacher gesehen. Da war ich schon fast euphorisch, hörte dann aber andere Stimmen, die sich mehr erhofft hatten und habe mich gefragt, ob ich auf einem anderen Kickplatz war. Da sieht man, in welche Richtung es gehen kann.”
Für eine gestiegene Erwartungshaltung von Fans und Beobachtern ist allein das SC-Ensemble verantwortlich – wegen einiger starker Auftritte und der bisherigen Ergebnisse. Aber kann auch Streich ohne Wenn und Aber zufrieden sein? Offenbar ja und eventuell schon am späten Sonntagabend. “Hoffenheim hat Corona und Verletzungen überwunden. Sie sind im 3-5-2 extrem schwer zu spielen, defensiv stark und haben offensiv richtig Qualität. Das wird ein ganz schweres Spiel, bei allem Respekt etwas anderes als in Piräus”, erklärt der Fußballlehrer und kündigt an: “Wenn wir in Hoffenheim bestehen am Sonntag, das wäre eine Aussage, dann würde ich sagen: Chapeau!”